• Auf der Suche nach unseren Vorfahren begegnen uns immer wieder Situationen, an denen man schier verzweifeln möchte. Jeder Familienforscher kommt irgendwann an einen sog. "toten Punkt". Wir wissen zu diesem Zeitpunkt bereits, dass die von uns gesuchte Person vermutlich bereits verstorben ist. Nur allzu oft sind uns aber bis auf ein paar wenige Informationen keine weiteren Daten bekannt.

    Wahrscheinlich stellt sich der ein oder andere dann die Frage, wo die gesuchte Person verstorben sein könnte und ob es eventuell noch eine Grabstelle "zu entdecken" gibt. ...

  • Bildquelle: Privatarchiv Sylvia Klingner

    Wie auf dem nebenstehenden Foto zu sehen, ist der dort Verstorbene namentlich bekannt. Nur wo sich diese Grabstelle befindet, konnte bisher nicht herausgefunden werden.

    Vielfach hilft da oftmals nur der Zufall - oder die fleißige Arbeit Freiwilliger, die sich unermüdlich in ihrer Freizeit damit beschäftigen, alte und oft schon in Vergessenheit geratene Grabstätten/Friedhöfe in unserem Forschungsgebiet wiederzuentdecken und noch erhaltene Gräber zu dokumentieren und so gut es eben geht zu erhalten.


Freiwillige kämpfen um den Erhalt alter masurischer Friedhöfe

VEREIN "BLUSZTYN"

Der Verein Blusztyn und die Identifizierung von Gräbern in Bezlawki / Bäslack, Kreis Rastenburg

Erste Aufräumarbeiten auf dem Friedhof in Wenden / Winda, ehemals Kreis Rastenburg

Am Samstag, den 20. März, versammelten sich einige Mitglieder und Freunde der Blusztyn-Gesellschaft auf dem kommunalen Friedhof in Wenden / Winda, Gemeinde Barciany / Barten, um mit Aufräumarbeiten auf dem Friedhof zu beginnen.

Der Friedhof in Winda (bis 1946 Wenden) ist ein aktiver multireligiöser Friedhof. Der Friedhof wurde im frühen 19. Jahrhundert angelegt, als der kirchliche Friedhof in Wenden geschlossen wurde. Unter den polnischen Nachkriegsgräbern auf dem Friedhof befinden sich auch die deutschen Vorkriegsgräber von Gemeindemitgliedern der evangelischen Gemeinde, aber auch der katholischen Gemeinde, wie z.B. der Familie Deutsch. Diese Gräber sind die Überreste derer, die vor uns hier waren. Solange auf dem Friedhof noch genügend Platz für neue Bestattungen ist, sollten wir diese Zeugnisse der Vergangenheit bewahren und ihnen durch Pflege Respekt erweisen.

Als Fortsetzung der Arbeiten an den Gräbern der Familie Rohde, die am Vortag auf dem Friedhof in Bezlawki / Bäslack durchgeführt wurden, war es unsere Priorität, mit der Konservierung des künstlerisch hochwertigen Grabsteins der Rohde-Kinder zu beginnen. Im vorigen Beitrag haben wir den Stammbaum von Otto und seinem jüngeren Bruder Friedrich Rohde kennengelernt, die Vertreter der sechsten Generation dieser in Wilkowo / Wilkendorf ansässigen Familie sind. Friedrich wurde am 20. Juni 1882 geboren und war zu Beginn des XX. Jahrhunderts Pächter der Gutsanlage Staniszewo / Albertinhausen. Am 11. Oktober 1912 heiratete er Line Antonie Labenski, geboren am 12. Juni 1893 in Susnik / Sußnick, Kirchengemeinde Łękajmy / Langheim. Ihre drei Töchter und ein Sohn wurden in Staniszewo / Albertinhausen geboren. Alle Kinder wurden in der Kirche in Winda / Wenden getauft. Die jüngste Tochter und der Sohn starben in Staniszewo / Albertinhausen und sind auf dem Friedhof in Wenden begraben, in der mittleren Gasse rechts. Auf dem Mahnmal unter den zerbrochenen Lilien ist zu lesen:

Traute                   Hans

Rohde                   Rohde

*7.3.1916             *11.6.1919

+25.12.1916        +3.9.1926

In den 1930er Jahren kaufte Friedrich Rohde das Grundstück Skoczewo / Hermannshof bei Barciany / Barten. Von dort wurde er 1945 von den Soldaten der Sowjetarmee verschleppt und jede Spur von ihm verschwand. Line Antonie Rohde geb. Labenski und ihre beiden Töchter überlebten den Krieg und flohen in den Westen.

Der zweite Grabstein, der unsere erste Aufmerksamkeit verdiente, ist das Grab von Else (Elisabeth Margarethe) von der Herberg geb. von Ahvensleben, der jüngsten Tochter der Besitzer der Güter von Rodele / Rodehlen und Debiany / Dombehnen. Ihre Mutter, geborene Gräfin Adele von Schwerin (1838+1887), heiratete 1859 Werner Gebhard Louis von Ahvensleben (1832-1910) und erhielt von ihrer Tante Sophie von Schwerin, geb. Dönhoff, ein 600 Hektar großes Gut.

Nach dem Tod von Adele fiel das Anwesen an ihren Ehemann und ging somit in den Besitz der Familie Alvensleben über. Debiany / Dombehnen wurden 1928 von ihrem Sohn verkauft, das Gut Rodel blieb bis 1945 in der Familie. Elsa wurde am 15. April 1878 in Rodele / Rodelehn geboren. Am 26. November 1910 heiratete sie in der Kirche in Winda / Wenden Axel von der Herberg (10.11.1877+8.5.1923), den Besitzer des Gutes Koczarki / Kotzargen. Nach der Hochzeit zog das Paar auf ein neu erworbenes Gut Wezowo / Wensöwen bei Olecko. Elsa starb dort am 28. August 1917, ihr Leichnam wurde zum Haus der Familie gebracht und auf dem Friedhof beigesetzt. Einige Jahre später starb ihr Mann und wurde mit seiner Frau begraben.  

Autor: Cezary Korenc, Vorsitzender des Verein BLUSZTYN

Am Freitag, den 19. März, begann die Identifizierung der Gräber anhand von alten Fotos und Beschreibungen, die wir von der Familie Rohde erhalten haben. 7 Generationen dieser Familie ruhen auf dem kirchlichen Friedhof in Bezlawki.

https://www.facebook.com/media/set?vanity=blusztyn&set=a.3984205594976478

Die Familie Rohde stammt aus Neuendorf (Nowa Wies bei Ketrzyn), wo die Vorfahren seit Anfang des 16. Jahrhunderts mehrere Generationen lang Dorfvorsteher waren. Zu Beginn des XVIII. Jahrhunderts siedelte sich ein Zweig in der Abbau Drengfurt (Srokowo) und ein anderer Zweig in dem Abbau Wilkowo / Wilkendorf an. Die gesuchten Gräber gehörten zur sechsten Generation der Familie Rohde in Wilkowo / Wilkendorf.

Die Gräber von vier der neun Kinder von Johann Rohde (1844-1908) und Regina geb. Pormann (1848-1902) sind identifiziert worden. Nach dem Ausgraben der Fundamente der Kreuze und der Ablesung der Fotografien von 1980 war es möglich, die Bestattungen auf dem Inventarplan zu platzieren:

- (Antonie) Anna Rohde 20.4.1877 + 21.10.1916

- (August) Hermann Rohde 13.4.1887 + 22.11.1888 i (Johann) Albert Rohde 11.8.1884 + 30.7.1887

- Martha Rohde 24.8.1880 + 2.4.1881

 Aber warum wurde der zweite Mann ihrer Großmutter Marie (geb. Hein) nebenan begraben?

- Johann Borriess 6.6.1820 + 8.6.1900

Die Eltern der Kinder und andere Kinder, die im Kindesalter gestorben sind oder keine Familie gegründet haben, sollten in der Nähe dieser Gräber beigesetzt werden. Nur zwei Söhne gründeten eine Familie und bekamen Kinder. Der jüngste, Friedrich, pachtete das Gut Staniszewo / Albertinenhause bei Skierki / Wehlack und besaß später das Gut Skoczewo / Hermannshof. Über ihn und seine Familie werden wir im nächsten Beitrag schreiben.


Der ältere Sohn Otto Carl war Besitzer eines 86 ha großen Hofes, der in einem Abbau östlich von Wilkowo (heute Stadniki) lag. Otto Carl Rohde wurde am 31. August 1878 in Wilkowo /Wilkendorf geboren. Im Jahr 1918 heiratete er Maria Amalia Gutteck, die am 1. Dezember 1890 in Pilec / Pülz geboren wurde. Sie hatten drei Kinder: Margarete, Otto und Friedrich. Otto Carl Rohde starb am 1. Juni 1925 im Krankenhaus in Königsberg, nur 3 Jahre nach dem Bau eines neuen Hauses und zwei Monate nach der Geburt eines jüngeren Sohnes, der am Sarg seines Vaters getauft wurde.


Otto Carl wurde in einer neuen Parzelle, am Rande des Friedhofs, mit Blick nach Osten in Richtung seines Hauses beigesetzt. Sein treuer Hund lief seinem Herrchen von Wilkendorf bis Bäslack hinterher. Er legte sich auf das Grab und jeder Versuch, ihn dort herauszuholen, scheiterte. Er starb dort vor Kummer und wurde in das Grab seines Herrn gelegt. Auch seine Tochter Margarete, die 1944 von ihrem Verlobten in Bialystok ermordet wurde, wurde in diesem Grab beigesetzt. Ihre Mutter Marie Amalie Rohde geb. Gutteck wurde 1945 von Soldaten der Sowjetarmee verschleppt und starb am 2. September 1945 in Krasnowodsk am Kaspischen Meer.


Bei den Sucharbeiten wurde anhand eines Fotos aus dem Jahr 1990 das Quartier der Familie Fischer im Innenhof identifiziert. Der Sockel für das gestohlene Kreuz des Vierpasses wurde bei unseren Aufräumarbeiten am 14. August 2017 entdeckt:

https://www.facebook.com/media/set/?vanity=blusztyn&set=a.1562234923840236


Autor: Cezary Korenc, Vorsitzender des Verein BLUSZTYN

"Masurische Gesellschaft"

Die "Masurische Gesellschaft" wurde 1990 in Krutinnen (Masuren) gegründet. Zu den Zielen der Gesellschaft gehören:

  • die Herstellung von Verbindungen und Erhalt der Gemeinschaft mit Masuren, die ihre Heimat verlassen haben

  • die Pflege der Zweisprachigkeit der Masuren durch Verbreitung und Lehre der verdrängten deutschen Sprache

  • Aktivitäten zum Schutz des deutsch-masurischen kulturellen Erbes

  • Verbreitung von Wissen über die Geschichte und Kultur des deutschen Volkes

  • Herstellung von Verbindungen zu deutschen Organisationen mit gesellschaftlichem, kulturellem und Bildungscharakter.

Grabstein auf einem Friedhof im Kreis Lyck © Freya Rosan

Auf ihrer Homepage https://stowarzyszeniemazurskie.pl/ findet der interessierte Besucher Informationen zu evangelischen Friedhöfen in Masuren. Die "Masurische Gesellschaft" kümmert sich um diese alten Friedhöfe, die zum Teil mitten im Wald versteckt liegen und die seit Jahren oder Jahrzehnten kaum ein Mensch betreten hat.

Vergessene Friedhöfe in Masuren

Wir möchten an dieser Stelle auf eine weiteres Friedhofsprojekt hinweisen:

Vergessene Friedhöfe in Masuren - Studierendenprojekt 2020 in Steinort/Sztynort

"In Kooperation mit der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und der Ermländisch-Masurischen Universität Olsztyn sowie der Stiftung Borussia in Olsztyn/Allenstein fand Ende August/Anfang September ein internationales Studierenden-Workcamp in Steinort/Sztynort in Masuren statt. Eine Gruppe deutsch-polnischer Studenten beschäftigte sich mit dem Friedhof von Groß Steinort, dem Familiengut der Familie von Lehndorff. Während es für das Schloss Steinort seit einigen Jahren auch mit Unterstützung der Bundesregierung Bemühungen gibt, diesen Erinnerungsort vor dem Verfall zu bewahren, ist der Friedhof einer der vergessenen Orte in Masuren.

Die Studenten der Geschichte und Landschaftsarchitektur befreiten gemeinsam den Friedhof wieder vom Wildwuchs und inventarisieren und dokumentieren die Gräber. Zugleich forschten sie in den Archiven über die Geschichte des Ortes und seiner Bewohner."

Quelle:
https://www.g-h-h.de/bildung-und-begegnung/bildung-und-begegnung/internationaler-austausch-mit-osteuropa/vergessene-friedhoefe-in-masuren

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